Antientzündliche Ernährungslenkung im Praxisalltag

Funktioniert eine antientzündliche Ernährungslenkung im Praxisalltag?
Dr. Sandra von den Stemmen hat diese Frage in einer selbst initiierten und organisierten Praxisbeobachtung über drei Monate untersucht.

 

Wie sind Sie auf die Idee zur Praxisbeobachtung gekommen?

In unserer Praxis gab es bisher keine antientzündliche Ernährungsberatung im Zusammenhang mit Parodontitis-Behandlungen. Es wurden lediglich begleitende Ernährungsempfehlungen gegeben, und das Bewusstsein der Patienten für den Zusammenhang zwischen Ernährung und Parodontitis war gering. Nach 27 Jahren als Zahnärztin und meiner Zusatzausbildung zur ganzheitlichen Ernährungsberaterin konnte ich erstmal keinen passenden Ansatz finden, um beides im Praxisalltag erfolgreich zu kombinieren. Deshalb entwickelten mein Mann und ich die Idee, durch dieses Testprojekt eigene Erfahrungen zu sammeln und die Umsetzung im Praxisalltag mit dem Team und den Patienten zu erproben.

Was war das Ziel der Praxisbeobachtung?

Das Ziel war es, eigene Erfahrungen und konkrete Ergebnisse mit dem Praxisteam zu sammeln. Einerseits wollten wir lernen, wie die Integration der Ernährungslenkung in den Praxisalltag funktioniert, und andererseits wollten wir die Auswirkungen bei unseren Patienten beobachten. Wie viel kann eine Ernährungslenkung innerhalb von drei Monaten bewirken und ist dies überhaupt umsetzbar?

Kann eine Ernährungslenkung positive Ergebnisse erzielen?

Ja, definitiv! Ich konnte bei allen Patienten einen eindeutigen Rückgang der Entzündung nach drei Monaten nachweisen, und es gab zudem erstaunliche positive Veränderungen.
Bei einer Patientin hörte beispielsweise das jahrelange Sodbrennen auf, andere berichteten von verbessertem Schlaf, Verringerung von Allergiesymptomen, gesteigertem Wohlbefinden und höherer Energie. Es freut mich besonders, dass alle Teilnehmer ein klares Bewusstsein für die Bedeutung einer antientzündlichen Ernährung entwickelt haben und dies weiterhin in ihren Alltag integrieren möchten.

Wer war an der Praxisbeobachtung beteiligt?

Das gesamte Team von Dr. Oliver Tillich war an der Planung und Durchführung beteiligt. Bei der Beobachtung selbst nahmen sieben Patienten teil, Männer und Frauen im Alter von 40 bis 78 Jahren, die bereits Parodontitis-Probleme hatten. Die Durchführung habe ich persönlich übernommen.

War es schwierig, die Patienten für ihr Projekt zu akquirieren?

Überraschenderweise sehr einfach dank der Zusammenarbeit mit den Dentalhygienikerinnen. Zu diesen haben die Patienten schon großes Vertrauen – „die tut mir nicht weh, nur meinen Zähnen etwas Gutes“. Hier zeigte sich schon ein erster Hinweis darauf, wie sich die Integration im Praxisalltag mit begrenzter Zeit umsetzen lässt, nämlich durch persönliche Ansprache.

Wo fand die Praxisbeobachtung statt?

Die Praxisbeobachtung wurde in der Praxis von Dr. Oliver Tillich in München durchgeführt, in der ich seit mehr als zehn Jahren tätig bin.

Wie verlief die Praxisbeobachtung?

Das Team hat sich intensiv damit beschäftigt, wie wir die Patienten motivieren, informieren und bestmöglich begleiten können. Besonders wichtig war die Kommunikation, sowohl intern im Team als auch mit den Patienten. Hierbei habe ich mit einem Kommunikationsexperten zusammengearbeitet und Informationsmaterial, Präsentationen und Aktivierungsübungen entwickelt.
Nach der Auswahl der Teilnehmer erhielt jede Patientin zunächst einen ausführlichen Informationsbrief. Anschließend erfolgte die Eingangsuntersuchung, die den größten Zeitaufwand von zwei Stunden hatte. Dabei wurden alle Abläufe und Fragen besprochen und eine Parodontitis-Untersuchung mit Taschentiefenmessung und Erfassung der Blutungspunkte durchgeführt. Zudem erfolgte ein kurzer Ernährungs-Quick-Check. Wir haben einen eigens entwickelten Fragebogen verwendet, der Einblicke in die Ernährungsgewohnheiten sowie das Bewegungsverhalten und Stressmanagement der Patienten ermöglicht.

Wie wurden die Patienten an das neue Thema Ernährung herangeführt?

Es war mir wichtig, das Thema antientzündliche Ernährung verständlich mit jedem zu besprechen um eventuelle Bedenken auszuräumen. Eine Teilnehmerin hatte sogar ihren Ehemann mitgebracht, der fürs Kochen zuständig ist. Dafür habe ich eine Präsentation mit eigenen Grafiken zu stillen Entzündungen und deren Zusammenhang mit Parodontitis entwickelt.
Wichtig war es, die Teilnehmer an die antientzündliche Ernährung heranzuführen. Über gesunde Ernährung hatten alle schon ein gutes Grundwissen. Wo ich mit ihnen Zeit investiert habe, war aufzuschlüsseln, welche Nahrungsmittel für sie passen und wie für sie Essen im täglichen Leben aussieht, bis hin zu Zubereitungstipps. Sogar eigene Rezepte habe ich für die Teilnehmer zusammengestellt, damit sie leichter reinkommen. Die gesamte Information wurde ihnen in einem Booklet mitgegeben.
Anschließend haben wir das „Lebensmittel Memory“ zur Aktivierung der Patienten eingesetzt, was allen viel Spaß gemacht hat und ihre Augen geöffnet hat. Auf Basis der Ergebnisse konnte ich individuelle Ansätze zur Lenkung entwickeln, die den Patienten bewusst gemacht haben, dass sie selbst Verantwortung für ihre Gesundheit tragen. Zum Abschluss wurde eine Blutabnahme durchgeführt, um den Omega-3-Index zu bestimmen. Jeder Patient erhielt für den Zeitraum von drei Monaten fünf Flaschen Omega-3-Algenöl der Firma Norsan.
Zudem haben wir die Kommunikation während der Beobachtungszeit abgestimmt, zur Auswahl standen Telefon, E-Mail und WhatsApp.